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Editorial Liebe Unternehmer, Verbandsmitarbeiter und Freunde der Stahl und Metall verarbeitenden Industrie, die Taxonomie ist ein großes Nachhaltigkeits- Projekt der EU. Zugrunde liegt ihm die mit dem European Green Deal einhergehende Idee, be- sonderes nachhaltige Unternehmen gegenüber weniger nachhaltigen zu bevorzugen – angefan- gen mit und auf den Finanzmärkten. Bei der Unternehmensfinanzierung anzusetzen, heißt einen sehr großen und wirkungsvollen He- bel in Gang zu setzen. Denn über den Trickle- Down-Effekt, also das gezielte Durchsickern von oben nach unten, erreicht die EU letztlich alle Unternehmen. Brüssel ist dabei fein raus. Denn die Eurokraten haben den Job an die Finanzinstitute delegiert. Die Probleme liegen indes auf der Hand. Wel- che Unternehmen sind nachhaltig und welche nicht? Und wer bestimmt das? Sind Rüstungs- unternehmen und Ölkonzerne per se nicht nach- haltig? Und kann sich die Bewertung ändern? Was ist, wenn Rüstung zur Verteidigung von De- mokratien gegen Diktaturen eingesetzt wird oder wenn Mineralölkonzerne ihr Geschäftsmo- dell auf Erneuerbare Energien umstellen? Sind sie dann nachhaltig? Und was ist mit der Zulie- ferindustrie, zum Beispiel mit den Stahlverarbei- tern? Sie bedienen sehr viele Industrien, so auch die Hersteller von unbestritten nachhalti- gen Windkraftanlagen. Trotzdem werden sie nicht als nachhaltig im Sinne der Taxonomie ein- gestuft. Das zeigt: Die Taxonomie betrifft nicht nur kapitalmarktorientierte Konzerne, sondern gleichermaßen den Mittelstand. Auch er be- kommt die Konsequenzen zu spüren. Weitere Belastungen können die Unternehmen jetzt aber gar nicht brauchen. Gerade Projekte der EU, beispielsweise zur Corporate Social Responsibility, erhöhen den bürokratischen Auf- wand weit über den Nutzen hinaus. Eigentlich müssten jetzt alle Ressourcen darauf konzen- triert werden, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen. Die Energiepreise steuern auf immer neue Höchststände zu. Erste Unterneh- men aus der Stahl- und Metallverarbeitung ha- ben bereits aufgegeben, viele müssen ihre Pro- duktion drosseln. Ohne Weiterreichung der enorm gestiegenen Kosten an die Kunden fallen die Unternehmen um und ziehen womöglich an- dere mit sich. Die Lieferketten sind seit Monaten zum Zerreißen gespannt. Die ersten brechen jetzt ab; es ist unklar, ob und wann sie neu ge- knüpft werden. Wenn diese Entwicklung nicht aufgehalten und zurückgedreht wird, dürften die Folgen den Wohlstand unserer Gesellschaft spürbar beeinträchtigen. Wir wissen, dass ver- lorengegangene industrielle Wertschöpfung nicht mehr so einfach zurückkommt. Deshalb müssen wir jetzt handeln und das Abschmelzen der industriellen Basis stoppen. Ich lade Sie herzlich ein, zu diesen und anderen Themen mehr in den aktuellen WSM Nachrich- ten zu lesen! Christian Vietmeyer 2 Nachrichten 3-2022 Foto: Mourad ben Rhouma