Page 2 - WSM Nachrichten 2-2022
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Editorial
Liebe Unternehmer, Verbandsmitarbeiter und Freunde der Stahl und Metall verarbeitenden Industrie,
mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Uk- raine ist auch für die Stahl und Metall verarbei- tenden Betriebe einiges aus den Fugen geraten. Die Erholung nach der Corona-Krise ist abge- sagt, stattdessen unterliegen die Wertschöp- fungsketten ständigem Stress.
Die Kunden stornieren erneut Bestellungen und nehmen Liefereinteilungen zurück, weil sie selbst viele Teile und Komponenten nicht be- kommen. Unser wichtigstes Vormaterial Stahl hat sich erneut verteuert, weil Mengen aus Russland, Belarus und der Ukraine fehlen, die Preise für Kohle, Eisenerz, Schrotte und Energie weiter steigen und Rohstoffe für Legierungen knapp werden. Der Energiepreis erreicht unbe- kannte Höhen. Die Kosten nicht nur für energie- intensive Umformungsprozesse, sondern auch für einfache Wärmebehandlungen haben sich mehr als verdoppelt.
Die Angst vor einer Gasmangellage geht um. Die aufgeflammte öffentliche Debatte um die Abschaltreihenfolge wird zum Teil emotional ge- führt. Wer soll zuerst abgeschaltet werden – die Industrie oder die Privathaushalte? Ich empfehle hier einen kühlen Kopf: Wir sitzen alle im selben Boot. Industrielle Wärmeprozesse, die ohne Be- schädigungen der Anlagen abschaltbar sind, können zeitweise beschränkt werden. Niemand soll im Herbst frieren. Aber die Privathaushalte müssen ihren Bedarf auf das Notwendige be- schränken im Sinne einer gesamtgesellschaft- lichen Solidarität. Schließlich sind viele auch Arbeitnehmer in Betrieben, die auf Gas ange- wiesen sind.
Am Beispiel der Rohstoffe wird unsere Abhän- gigkeit von Ländern deutlich, die unsere demo-
kratischen Werte und rechtstaatlichen Prinzipi- en nicht teilen. Wir können einst verlagerte Wertschöpfung zurückholen – wir werden aber niemals ohne den Bezug von Rohstoffen und Zulieferungen aus zum Teil fernen Ländern der Welt auskommen. Ohne den Zugang zu Märk- ten außerhalb der westlichen Welt können wir nicht produzieren.
Das deutsche Geschäftsmodell der globalen Vernetzung ist nicht obsolet. Vielmehr braucht es eine Nachjustierung. Wir müssen Strategien entwickeln, wie wir unsere Lieferketten so weit wie möglich von den Auswirkungen internationa- ler Konflikte unabhängig machen können. Dazu müssen wir genau prüfen, an welchen Stellen wir verwundbar sind und welche Szenarien auf uns zukommen können. Das ist eine gemeinsa- me Aufgabe von Wirtschaft und Politik.
Der Satz „Wandel durch Handel“ war übrigens schon immer irreführend. Es war und ist noch nie die Aufgabe der Wirtschaft gewesen, die politischen Verhältnisse andere Nationen zu verändern. Handel war immer nur ein Türöffner für den Dialog.
Ich lade Sie herzlich ein, zu diesen und anderen Themen in dieser Ausgabe der WSM Nachrich- ten mehr zu lesen.
Christian Vietmeyer
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Nachrichten 2-2022
Foto: Mourad ben Rhouma