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Aktuelles aus Wirtschaft & Politik und Metall verarbeitenden Industrie in Europa – im Gegensatz zu denen ihrer außereuropäischen Konkurrenten – entstehen, erwächst ein Anreiz, Produktionsstätten dorthin zu verlegen, wo die Grundstoffprodukte weiterhin günstig erworben werden können, nämlich außerhalb Europas. Entgegenwirken könnte dem eine höhere Zah- lungsbereitschaft für klimafreundlich herge- stellte Vorprodukte seitens der Endprodukt- hersteller, beispielsweise im Automobilsektor. Europäische Automobilhersteller werden im Zuge der schärferen Klimaschutzanforderungen auch auf eine Dekarbonisierung ihrer Lieferket- ten setzen. Inwieweit in der Lieferkette jedoch tatsächlich höhere Preise weitergegeben wer- den können, hängt nicht zuletzt von der Markt- und Konkurrenzsituation auf der jeweiligen Stufe der Wertschöpfungskette ab. Für Produzenten, die Grundstoffe weiterverarbeiten und an End- produkthersteller verkaufen, steigt das Risiko, dass sie ihre höheren Kosten nicht oder nicht in vollem Umfang weitergeben können. Dies ist im internationalen Wettbewerb dann ein gravieren- der Nachteil, wenn außereuropäische Konkur- renten im selben Markt anbieten. Sowohl für besonders exportorientierte Unter- nehmen als auch für die Kunden der CBAM- Sektoren kann der Grenzausgleichsmechanis- mus in seiner aktuell vorgeschlagenen Form nicht den gleichen Schutz vor Carbon Leakage Risiken gewährleisten wie das bisher eingesetz- te Instrument der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten. Im Gegenteil erhöht sich für die genannten Unternehmen der Wettbe- werbsdruck und damit der Anreiz zur Standort- verlagerung. Dies steht dem klimapolitisch in- tendierten Effekt einer erhöhten Nachfrage nach emissionsarm produzierten Grundstoffen auch außerhalb Europas entgegen. Abhilfe schaffen kann prinzipiell die Ausweitung des Grenzausgleichsmechanismus auf alle, also auch die nachgelagerten Sektoren in der Wert- schöpfungskette. Der Nachweis des CO2-Gehal- tes von zunehmend verarbeiteten Produkten im Laufe der Wertschöpfungskette wird allerdings aufwändiger und erhöht die bürokratischen An- forderungen. Je nach Komplexität eines Pro- dukts kann eine faire Verifizierung an Grenzen stoßen. Je umfassender ein Mechanismus an den Außengrenzen der EU Importgüter betrifft, desto wahrscheinlicher werden zudem Gegen- maßnahmen von Handelspartnern, die den CBAM als protektionistische Maßnahme bewer- ten und ihrerseits neue Zölle oder vergleichbare Handelsbeschränkungen auf europäische Aus- fuhren erheben. Das Klimaabkommen von Paris hat die weltweite Dimension der Bekämpfung des Klimawandels deutlich gemacht und insbesondere die Notwen- digkeit einer gemeinsamen Anstrengung. Solan- ge die größten Emittenten von Treibhausgasen nicht einen kooperativen Ansatz verfolgen, der ihnen gleichermaßen die Möglichkeit verschafft die Transformation der Industrieproduktion und die Dekarbonisierung der Volkswirtschaften aktiv voranzutreiben, bleiben Carbon Leakage Risiken virulent und bremsen den Klimaschutz. Die Chance auf eine erfolgreiche weltweite Eindäm- mung der Treibhausgasemissionen besteht nur dann, wenn die wichtigsten Produktions- und Ab- satzländer sich in einer Art Klimaclub zusammen dem Ziel der Dekarbonisierung verpflichten. Ein Grenzausgleichsmechanismus verliert dann zu- nehmend seine Funktionsnotwendigkeit. Dr. Thilo Schaefer Leiter Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Infrastruktur Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. Postfach 10 19 42 50459 Köln Tel. +49 (0) 221 / 4981-791 thilo.schaefer@iwkoeln.de K 12 Nachrichten 3-2021 Ansprechpartner Foto: iw Köln