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 Editorial  Liebe Unternehmer, Verbandsmitarbeiter und Freunde der Stahl und Metall verarbeitenden Industrie, noch neun Jahre, dann soll Deutschland 65% weniger Klimagase emittieren als im Basisjahr 1990. Heute sind wir mit um die minus 40% noch weit von diesem Einsparziel für das Jahr 2030 entfernt. Die Europäische Kommission hat im Juli mit dem sogenannten Fit-for-55 Regulie- rungspaket eine erste Konkretisierung ihrer un- ter dem Stichwort European Green Deal ausge- rufenen Klimapolitik vorgelegt. Im Jahr 2050 soll Europa gar keine Klimagase mehr emittieren. Die Ziele stehen also, doch die Wege zur Ziel- erreichung sind noch nicht gebaut. Allein die Planung und Genehmigung von Bauvorhaben für die Energieinfrastruktur dauert in Deutsch- land in der Regel mehr als neun Jahre. Wir müs- sen eigentlich nicht nur schneller werden, wir brauchen einen vollständigen Paradigmenwech- sel beim Bau von Infrastruktur. Bürgerbeteili- gung ist in einer Demokratie richtig. Aber die uferlose Ausdehnung der Rechte mancher, die zum Teil noch nicht einmal selbst betroffen sind, lähmt uns und verhindert Klimaschutz. Die deutsche Industrie hat die Notwendigkeit des Klimaschutzes schon längst erkannt. Die Unternehmen haben bereits damit begonnen, Klimagase zu reduzieren und ihren CO2-Fußab- druck zu verbessern. In deutlich weniger als neun Jahren wird man sehen, welche enormen Fortschritte die Industrie gemacht haben wird. Die Technologien sind teilweise schon bis zur Marktreife erforscht. Beispielweise könnten die meisten industriellen Wärmeprozesse schon heute auf grünen Wasserstoff oder Strom aus erneuerbaren Energien umgestellt werden. Ap- pelle der Politik an die deutsche Ingenieurskunst brauchen wir nicht, denn die Industrie hat ihre Hausaufgaben vielerorts gemacht. Indes, die Politik liefert ihren Beitrag nicht und erstellt die notwendige Infrastruktur nicht. Ein trauriges Beispiel ist die seit nunmehr einem Jahrzehnt andauernde Debatte um die Fertigstellung der Stromautobahnen durchs Land. Noch immer stehen diese nicht. Und wann kommt der grüne Wasserstoff bis an die Betriebe, zum Beispiel im Sauerland oder auf der Schwäbischen Alb? Die Industrie kann nicht warten. Sie wird ihre Chancen in anderen Regionen der Welt suchen. Stahl und andere Rohstoffe können selbstver- ständlich auch woanders hergestellt werden. Zum Beispiel in Frankreich, wo die Energie heute klimafreundlicher als in Deutschland erzeugt wird, oder in Nordafrika, wo erneuerbare Ener- gien grünen Wasserstoff in riesigen Mengen pro- duzieren helfen. Die Grundstoffindustrie wird nicht mehr nur aufgrund vergleichsweise schlech- ter Wettbewerbsbedingungen aus Deutschland herausgedrängt, wir sprechen vom Carbon Lea- kage, sondern auch von technologisch attraktive- ren Ländern geradezu angezogen. Und mit der Grundstoffindustrie orientieren sich womöglich auch die nachgelagerten Wertschöpfungsstufen neu. Wir gleichen einem startenden Flugzeug, das den Point of no Return längst überschritten hat, aber noch nicht fliegt. Fehler in dieser kriti- schen Phase können dramatische Folgen haben, Timing ist wichtig. Die Politik muss jetzt zügig ein- steuern und ihren Beitrag leisten, sonst erleiden wir alle eine Bruchlandung. Ich lade Sie herzlich ein, zu diesen und anderen Themen mehr in dieser Ausgabe der WSM Nachrichten zu lesen! Christian Vietmeyer  2 Nachrichten 3-2021    Foto: Mourad ben Rhouma 


































































































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