Automobilstandort Deutschland
Die strukturellen Herausforderungen stellen sogar eine Gefahr für den Automobilstandort Deutschland dar. Im Folgenden stehen zwei Herausforderungen im Fokus, die durch regulatorische Rahmenbedingungen ausgelöst werden.
CO2-Grenzwerte für Pkw lösen größten Strukturbruch in der Branche seit Jahrzehnten aus
Strenge CO2-Grenzwerte für neue Personenkraftwagen in der EU für die Jahre 2020/21 sowie für 2030 führen dazu, dass die Hersteller mehr Elektroautos auf den Markt bringen müssen. Batterieelektrische Autos (BEV) werden in der EU nämlich als Null-Emissionsfahrzeuge behandelt, obwohl dies nur für die lokalen Emissionen und nicht für die Stromerzeugung oder gar die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Rohstoffgewinnung und Batterieproduktion gilt. Auch Plug-in-Hybride (PHEV) gelten als Autos mit geringen CO2-Emissionen pro Kilometer, obwohl diese aufgrund des zusätzlichen Gewichts hoch ausfallen, wenn die Fahrzeuge vom Verbrennungsmotor angetrieben werden.
Viele Länder gewähren Subventionen für den Kauf von Elektroautos, da die reine Marktnachfrage noch immer recht klein ist. Diese Politik von „Zuckerbrot und Peitsche“ (Subventionen und Grenzwerte) führt dazu, dass die Automobilindustrie Fahrzeuge entwickelt und produziert, die den durchschnittlichen Autokäufer (ohne Förderung) noch nicht überzeugen. Dieser hält sich wegen hoher Anschaffungspreise gerade im Volumensegment, der geringeren Reichweite, fehlender Ladeinfrastruktur, wegen der längeren Ladedauer oder aus anderen Gründen zumeist noch zurück. Der Marktanteil von Elektro- autos in der EU steigt zwar, aber Subventionen sind hierfür der wesentliche Treiber.
Was bedeutet dieser Strukturwandel für die Branche? Zunächst einmal führt er zu höheren Kosten, insbesondere Investitionen in die neue Technologie, und zu sinkenden durchschnittlichen Renditen pro Fahrzeug, denn auch die Autoindustrie subventioniert oftmals den Absatz von Elektroautos. Jene Hersteller, die ihre CO2-Grenzwerte 2020 und 2021 verfehlen, müssen Strafzahlungen leisten. Auch hieraus resultieren gegebenenfalls höhere Kosten.
Auf die steigenden Kosten reagiert die Branche zudem mit der Verlagerung von Wertschöpfung an kostengünstigere Standorte. Dies geschieht zumeist nicht von heute auf morgen, sondern vollzieht sich über viele Jahre. Ferner führt die Umstellung vom traditionellen Verbrennungsmotor auf elektrische Antriebe zu Verschiebungen in der Wertschöpfungskette. Es wird wohl auch in Deutschland eine nennenswerte Batteriezellenproduktion geben. Gleichwohl dürften Batterien für Elektroautos künftig zu einem nennenswerten Anteil importiert werden. Mit einem steigenden Marktanteil von Elektroautos werden weniger Teile und Komponenten des klassischen Antriebsstrangs benötigt – neben Motoren auch Getriebe, Abgasanlagen und anderes –, die heute noch zu einem großen Teil in Deutschland hergestellt werden. Kaum jemand erwartet, dass die Netto-Bilanz dieses Strukturwandels für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Automobilindustrie in Deutschland positiv ausfallen wird.
Strengere Abgasnormen sind mit dem Verbrennungsmotor schwer zu erreichen
Höhere Kosten kommen auf die Autoindustrie auch mit der geplanten Verschärfung der europäischen Abgasnormen zu (Euro 7). Vorschläge hierzu liegen auf dem Tisch, die deutlich strengere Obergrenzen für Stickoxidemissionen vorsehen. Diese könnten schon 2025 in Kraft treten. Der europäische Automobilverband ACEA erklärt dazu, dass es technisch unmöglich sei, diese Vorgaben mit einem Verbrennungsmotor zu erfüllen. Ob diese Einwände jedoch im politischen Entscheidungsprozess berücksichtigt werden, ist ungewiss. Ein Teil der Politik wird die Hinweise aus der Branche auf physikalische Grenzen, technologische Machbarkeit oder steigende Kosten jedenfalls ignorieren. Unstrittig ist, dass strengere Grenzwerte, wie immer sie im Detail ausfallen, zu höheren Kosten führen. Im Volumensegment dürfte der Kostenaufschlag pro Fahrzeug besonders ins Gewicht fallen. Dies setzt die Produktion solcher „Autos für den Durchschnittsbürger“ in Hochlohnländern wie Deutschland, aber auch in Frankreich oder Italien kostenseitig unter Druck.
Problematisch ist, dass die Debatte über die Schadstoffemissionen von Pkw sowie eine geeignete Regulierung emotional stark aufgeladen ist und teilweise ideologisch geführt wird. Dies hängt natürlich mit dem Diesel-Skandal zusammen, der die Glaubwürdigkeit der Automobilindustrie unterminiert hat. Für viele politische Entscheidungsträger ist die Branche seither ein Feindbild; für andere war sie es schon immer. Die volkswirtschaftlichen Wohlfahrtseffekte sowie die immensen Impulse für die F&E-Ausgaben, die von einer prosperierenden Automobilindustrie ausgehen, rücken dabei in den Hintergrund. Wer in dieser Debatte die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen strengerer Abgasnormen stellt, gerät bereits in Verdacht, die Gesundheit der Menschen wirtschaftlichen Interessen opfern zu wollen. Dabei sind die absoluten Stickoxidemissionen und -konzentrationen zum Beispiel in der EU und in Deutschland in den letzten Jahren stetig gesunken und werden weiter zurückgehen.
Rückkehr zu früheren Höchstständen ungewiss
Der Automobilstandort Deutschland konnte sich von den beiden tiefen Krisen der letzten 30 Jahre (1993 sowie 2008/09) jeweils nach einigen Jahren wieder erholen. Angesichts der strukturellen Herausforderungen ist es aber fraglich, ob die früheren Höchststände am Standort Deutschland jemals wieder erreicht werden. Wir befürchten, dass es immer schwerer wird, eine konkurrenzfähige Produktion von Pkw im Volumensegment in Deutschland aufrechtzuerhalten. Aus unserer Sicht ist die deutsche Automobilindustrie jedoch besser für die elektromobile Zukunft und andere strukturelle Herausforderungen der Branche gerüstet als der Automobilstandort Deutschland.
Zum Deutschland-Monitor der Deutschen Bank „Zukunft des Automobilstandorts Deutschland“: PDF Download
Ansprechpartner
Eric Heymann
Senior Economist Automobil, Industrie, Klimapolitik, Verkehr
Deutsche Bank AG
Deutsche Bank Research
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