„Bis spätestens 2045 werden wir nur noch fossilfreien Stahl produzieren“

HYBRIT, kurz für Hydrogen Breakthrough Ironmaking Technology, wurde 2016 gegründet. Das Gemeinschaftsunternehmen des schwedischen Stahlherstellers SSAB, des staatlichen Bergbauunternehmens LKAB und des Energiekonzerns Vattenfall will Technologien für die Produktion von fossilfreiem Eisen und Stahl über die gesamte Wertschöpfungskette entwickeln. Im Juni 2021 lieferte Hybrit in seiner Pilotanlage im nordschwedischen Luleå den ersten Eisenschwamm aus, der zu 100 % mit Energie aus fossilfrei erzeugtem Wasserstoff hergestellt wurde. SSAB verwendet einen Teil dieses Eisenschwamms zur Stahlherstellung und liefert ihn an seinen Partner Volvo Group. Der Volvo-Konzern stellte am 13. Oktober einen Prototyp eines Fahrzeugs vor, das mit fossilfreiem Stahl hergestellt wurde. Bis 2026 plant SSAB, einen vollständig fossilfreien Stahl in industriellem Maßstab auf den Weltmarkt zu bringen.

Martin Pei
ist Executive Vice President & CTO bei SSAB AB und Initiator des HYBRIT-Projektes
 
 
Wie viel CO2-freien Stahl wird Hybrit liefern können und bis wann?
 
Pei: SSAB plant, seine Produktionsstätte in Oxelösund im Jahr 2026 umzubauen, den Hochofen zu schließen und einen neuen Elektrolichtbogenofen zu eröffnen, in dem wir fossilfreien Eisenschwamm verwenden wollen, der mit der Hybrit-Technologie hergestellt wird. Gleichzeitig bereiten wir den Bau einer Hybrit-Eisenschwamm-Produktionsanlage in Gällivare im Norden Schwedens vor. Diese Produktionsanlage wird die Kapazität haben, 1,3 Millionen Tonnen Eisenschwamm zu produzieren, die SSAB ab 2026 für die Produktion von etwa 1,3 Millionen Tonnen fossilfreiem Stahl verwenden wird. SSABs Plan ist es, bis spätestens 2045 zu einem komplett fossilfreien Stahlunternehmen zu werden.
 
Welche Kapazitäten sind geplant?
 
Pei: Über das Vorgesagt hinaus werden wir auch unsere Forschungs- und Entwicklungs-Pilotanlage zur Wasserstoff-Direktreduktion in Luleå zur Herstellung von Eisenschwamm weiter betreiben. Die erste Charge wurde im Juni fertiggestellt und produzierte etwa 100 Tonnen hundert Prozent wasserstoffreduzierten Eisenschwamm – ein bahnbrechender Schritt auf dem Weg zu einer komplett fossilfreien Stahlwertschöpfungskette. Einen Teil dieser Charge haben wir auch für die Stahlherstellung und die Belieferung des Volvo-Konzerns verwendet. Wir werden in den Jahren 2022, 2023 und 2024 weiterhin kleine Mengen Stahl auf diese Weise herstellen und einen Teil davon an unsere Kooperationspartner liefern.
 
Welche Energiequelle nutzt Hybrit anstelle fossiler Brennstoffe wie Koks oder Kohle?
 
Pei: Wir nutzen hauptsächlich fossilfreien Strom. Der kommt in den nördlichen Landesteilen vor allem aus Wasserkraft und ein wenig Windkraft. Mit dem Strom und Wasser stellen wir in einem Elektrolyseur fossilfreien Wasserstoff her, der dann als Reduktionselement bei der Eisenerzeugung verwendet wird.
 
Über welche Mengen pro Jahr sprechen wir?
 
Pei: Um die schwedische Hochofenproduktion von SSAB – 2020 waren das rund 3,8 Millionen Tonnen Rohstahl – in eine fossilfreie Stahlproduktion umzuwandeln, werden etwa 15 TWh benötigt, das sind etwa 10 Prozent der heute in Schweden produzierten Elektrizität. In den weiteren Schritten der Stahlerzeugung benötigen wir auch andre Brennstoffe, zum Beispiel zum Beheizen der Öfen. Hier können wir Biogas, Wasserstoff oder Strom verwenden.
 
Hat Stahl, der ohne fossile Energie hergestellt wird, die gleiche Qualität wie konventionell hergestellter Stahl? Mit anderen Worten: Ist er für alle Anwendungen geeignet?
 
Pei: Ja. Die Qualität ist die gleiche oder potenziell besser. Die Eigenschaften werden in anderen Teilen der Produktion bestimmt. Also ja, wir werden weiterhin hochfeste Stähle und alle Arten von Stahl für verschiedene Anwendungen liefern können.
 
Welche Zielmärkte will SSAB als Stahl produzierender Partner von Hybrit bedienen, in welchen Branchen und geografischen Regionen?
 
Pei: Bitte lesen Sie hier in unserem Jahresbericht und den Q3-Report. (Europa weit vor Amerika, siehe https://www.ssab.com/company/investors/reports-and-presentations#sort=%40customorder%20descending) SSAB ist ein führender Hersteller auf dem Weltmarkt für hochfeste Stähle (AHSS) und Vergütungsstähle (Q&T), für Band-, Blech- und Rohrprodukte sowie für Konstruktionslösungen. Die Stähle und Dienstleistungen von SSAB tragen dazu bei Endprodukte leichter zu machen und ihre Festigkeit und Lebensdauer zu erhöhen. 
 
Wo sehen Sie SSAB in der Zukunft, verglichen mit der Konkurrenz, zum Beispiel Acelor Mittal und ThyssenKrupp, in Bezug auf Technologieführerschaft und Marktanteil?
 
Pei: Wir arbeiten seit langem an besseren Leistungs- und Nachhaltigkeitsergebnissen bei unseren Stählen. Und das wollen wir fortsetzen. Wir sind führend in der Entwicklung hin zu fossilfreiem Stahl, der praktisch keinen Kohlenstoff-Fußabdruck hinterlässt und nicht nur die CO2-Emissionen reduziert, sondern im Prinzip die Ursache der Emissionen beseitigt. Das ist immer noch ziemlich einzigartig in der Branche. Aber wir freuen uns, wenn wir andere inspirieren können, in dem wir zeigen, dass es möglich ist. Und wir sehen da draußen einige gute Initiativen. Wir alle müssen uns ändern, damit wir als Gesellschaft den Klimawandel eindämmen können.
 
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen SSAB und Mercedes-Benz aus? Wie viel grünen Stahl plant SSAB zu liefern und ab wann?
 
Pei: Unsere Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz ist sehr wichtig, und wir sind sehr froh, mit einem hoch angesehenen Automobilhersteller zusammenzuarbeiten, der sich sehr für die Reduzierung seines ökologischen Fußabdrucks einsetzt. Wir sehen, dass die Verbraucher und Endnutzer von Fahrzeugen auf Veränderungen drängen. Leider können wir keine Zahlen über unsere Partner bekannt geben.
 
Wie wird Hybrit vom schwedischen Staat finanziert? Wie viel Geld und Unterstützung erhält Hybrit für Forschung und Entwicklung?
 
Pei: Hybrit wird zu gleichen Teilen von den drei Eigentümergesellschaften SSAB, LKAB und Vattenfall finanziert. Die Pilotphase wird voraussichtlich etwa zwei Milliarden schwedische Kronen kosten (etwa 201 Millionen Euro, d. Red.). Hybrit hat von den schwedischen Energiebehörden Mittel für die Forschung und Entwicklung dieser bahnbrechenden Technologie erhalten, die etwa ein Viertel davon ausmachen.
 
Wir danken Ihnen für das Gespräch.