Der "Doppel-Wumms" ist kein Kracher

Laut einer WSM-Umfrage verzichten 49 Prozent der Industrieunternehmen auf die Inanspruchnahme der Energiepreisbremse. Die Angst vor Nachzahlungen und Bürokratie ist groß, und die Preisgrenzen sind für viele zu hoch. Schlussfolgerung: Die Bremsen greifen nicht.

Spürt die Industrie den „Doppel-Wumms“ der Energiepreisbremsen? Ein Kracher ist er laut einer Umfrage des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) jedenfalls nicht: Von 107 Unternehmen geben auf die Frage nach der Nutzung der Energiepreisbremsen 49 an, diese nicht zu nutzen, weitere 10 nutzen die Bremsen nicht in vollem Umfang (Abbildung 1).

Mit 38 % dominieren die „anderen Gründe“, was de facto heißen dürfte: Die gesetzten Preisgrenzen übersteigen oft die von den Unternehmen mit den Versorgern vereinbarten Bezugspreise. Wer sich qualifiziert, scheitert am häufigsten an der Bürokratie oder an der Voraussetzung der Gewinnentwicklung. 14 % der Befragten können nicht einschätzen, ob sie die Voraussetzungen schaffen, 12 % erfüllen sie definitiv nicht. Von 9 % als eher weniger herausfordernd wird die Beschäftigungs- oder Standorterhaltungsgarantie eingeschätzt.

Der WSM fordert für die Zeit nach den Preisbremsen: „Die Politik muss das kurzfristige Notfallinstrument ‚Energiepreisbremse‘ in ein langfristiges Werkzeug überführen. Wir brauchen ein Instrument, das der mittelständischen Industrie dauerhaft und verlässlich Zugang zur regenerativen Energieversorgung sichert – zu wettbewerbsfähigen Preisen.“

Nicht planbar: Unternehmen sollen „Geld beiseitelegen“

Die Umsetzung der Preisbremsen stellt manche Energielieferanten offenbar vor große Herausforderungen. „Leider können wir an dieser Umfrage nicht teilnehmen, da wir seit Januar keine Abrechnungen mehr von unserem Versorger bekommen haben“, schreibt ein Mitgliedsunternehmen. Sein Versorger sei mit der Umsetzung der Energiepreisbremse vollkommen überfordert. „Wir sollen einfach Geld beiseitelegen“, so der Unternehmer. „Wie soll er so planen und kalkulieren?“, fragt Holger Ade, Leiter Wirtschafts- und Energiepolitik beim WSM.

Die Unzufriedenheit der Unternehmer mit der Gestaltung der Preisbremsen überwiegt (Abbildung 2). So gibt ein Drittel der Teilnehmer der Entlastungshöhe das Prädikat „schlecht“, weitere 18 % halten diese lediglich für ausreichend. Die Hälfte der Unternehmer hält die Preisbremsen für zu bürokratisch (Abbildung 3). „Die Bundesregierung hatte ein einfaches, schnell wirksames Instrument versprochen. Geliefert wurde das Gegenteil“, kritisiert Ade.

Nicht ausreichend: Preisbremse nicht wirksam genug

Auch der Wirkungsgrad ist begrenzt (Abbildung 4). 37 Prozent der Befragten geben dafür ein Mangelhaft (Note 5), weitere 22 nur ein Ausreichend (Note 4). Ähnlich sieht es bei der Entlastungshöhe aus: Lediglich 17 Prozent halten sie für gut, 2 Prozent für sehr gut. „Immerhin mutet man den Verbrauchern eine Verdoppelung ihrer Energiekosten im Vergleich zum Jahr 2021 zu“, so Holger Ade. „Und die Begrenzung gilt nur für 70 Prozent des Energiebedarfs.“

Nicht mehr tragbar: Stromkosten in Deutschland

Die Preisgrenze, bei der die Bremse auslöst, ist ein weiteres Problem. Bei jedem dritten Befragten greift sie gar nicht, da seine im internationalen Vergleich hohen Bezugspreise dennoch unter der Grenze liegen – 13 Cent/KWh bei Strom, 7 Cent bei Erdgas. „Mittelständische Industrien brauchen – in ihrer ganzen Breite und Vielfalt – zukunftstaugliche und wettbewerbsfähige Tarife“, betont Holger Ade. „Der WSM steht der Politik jederzeit für den Austausch über wirksame und umsetzbare Instrumente und Modelle zur Verfügung. Nur so kann die Politik verhindern, dass immer mehr Unternehmen mit steigendem Verlangen auf die verlockend niedrigen Strompreise außerhalb Deutschlands schauen“, unterstreicht WSM-Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer. Auch das gäbe einen „Wumms“ … allerdings einen, der den Wohlstand am Standort Deutschland massiv schwächen würde.

Ebenfalls untragbar hoch sind inzwischen die Netzentgelte. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen berichten, dass die Leitungskosten signifikant gestiegen seien (Abbildung 5). Und das, obwohl die Bundesregierung knapp 13 Milliarden Euro für deren Stabilisierung aufgewendet hat. Die notwendige Ertüchtigung der Netze für die weitgehende Elektrifizierung der Bereiche Wärme und Verkehr sowie für den angestrebten 80 %-Mindestanteil erneuerbarer Energien am Strommix im Jahr 2030 wird zu erheblichen Steigerungen dieses Strompreisbestandteils führen und damit zu unkalkulierbaren Rahmenbedingungen für Investoren und Unternehmer. Eine Reform der Netzentgeltsystematik wird längst diskutiert, bislang ohne sichtbares Ergebnis. Da der Staat die Netzentgelte über die Bundesnetzagentur ohnehin reguliert und zudem die Finanzierung unterstützt, wäre es nur konsequent, diese Infrastruktur wieder zu verstaatlichen.

 

Ansprechpartner

Christian Vietmeyer
Syndikusrechtsanwalt, Hauptgeschäftsführer
WSM Wirtschaftsverband Stahl- und
Metallverarbeitung e.V.
Uerdinger Straße 58-62
40474 Düsseldorf

Tel. 0211/95 78 68 22
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