WSM-Position zur Zukunft der Mobilität

1. Der Verkehrssektor muss zur notwendigen Erreichung der Klimaziele beitragen

Es gibt keinen vernünftigen Zweifel, dass eine Dekarbonisierung der individuellen Mobilität notwendig ist, um die bereits vereinbarten Klimaziele* zu erreichen, obwohl der Verkehrssektor an der anthropogenen CO2-Emission in Deutschland nur zu gut 18 %(1) beteiligt ist. Zu dieser Dekarbonisierung sind Weiterentwicklungen bis hin zum Paradigmenwechsel der Antriebstechnik notwendig.
Zusätzlich zum Individualverkehr haben auch andere Verkehrssysteme, wie z.B. der Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr, das Potential, deutlich stärker zur Minderung der CO2-Emissionen beizutragen. Hier sind die Anstrengungen zu intensivieren; das gilt auch für den LKW-Verkehr und Busse.
2. Mit welcher Antriebstechnik die Klimaziele am effizientesten zu erreichen sind, ist derzeit noch offen
Noch ist völlig unklar, welche Antriebstechnik zukünftig die Technik der Wahl sein könnte, ob es überhaupt eine einzige Technik geben oder ob ein Nebeneinander verschiedener Antriebstechnologien notwendig sein wird. Sicher scheint, dass die Energiebereitstellung für die Mobilität in Form von oder durch die Nutzung von regenerativ erzeugter elektrischer Energie erfolgen wird. Ob aus diesem regenerativ hergestellten Strom z.B. E-Fuels** erzeugt werden, die Speicherung des Stroms in Batterien an Bord der Fahrzeuge zum Abruf im Bedarfsfall erfolgt (BEV) oder die Elektrizität in Brennstoffzellen aus regenerativ hergestelltem Wasserstoff erst an Bord erzeugt wird, ist noch völlig unklar. Daher sollte alle politische Förderung derzeit technologie-neutral erfolgen, wie dies von der EU gefordert wird (2), denn alle o.g. Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile.
Für eine Übergangszeit sind auch gasbetriebene, effiziente Verbrennungsmotoren eine vernünftige Alternative. Selbst wenn dabei das Gas zu Beginn aus fossilen Quellen stammt, kann die CO2-Emission verglichen mit konventionellen Fahrzeugen, aber auch gegenüber batterieelektrischen Fahrzeugen, reduziert werden. Nach und nach könnte dann das Erdgas als Treibstoff dieser Fahrzeuge durch E-Fuels ersetzt werden.
3. Es ist nicht zielführend, allein auf den batterieelektrischen Antrieb zu setzen
Vor allem die von großen Teilen der deutschen Politik, einigen Fahrzeugherstellern und Staaten, wie z.B. China, derzeit favorisierte batterieelektrische Antriebstechnik weist nach dem heutigen Stand der Technik die größten Nachteile aller derzeit möglichen Technologien auf. Sie führt, vergleicht man tatsächlich sämtliche CO2-Emissionen, die im Zusammenhang mit Herstellung und Betrieb der Fahrzeuge anfallen, beim aktuellen deutschen Strommix insgesamt zu höheren CO2-Emissionen als konventionelle Diesel- oder Benzinmotoren (3,4). Dabei wird eine typische Nutzungsdauer von Fahrzeugen von 10 Jahren mit einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 15.000 km zugrunde gelegt. Trotzdem werden Investitionen in erheblichem Umfang in den Netzausbau, die Ladeinfrastruktur und in Subventionen für rein batterie-elektrisch betriebene Fahrzeuge vorbereitet und von der Politik unterstützt.
Das Käuferinteresse scheint jedoch eher verhalten zu sein. So ist das Ziel der Bundesregierung, 2020 einen Bestand von 1 Mio. Elektrofahrzeugen in der Flotte zu haben, trotz ansehnlicher Subventionen in weite Ferne gerückt. Auch der Aufbau der notwendigen Ladeinfrastruktur erfolgt verzögert. Stand April 2019 gibt es 17.400 Ladepunkte, davon 10% Schnellladepunkte (5). Für 1 Mio. Fahrzeuge aber wären 33.000 Ladepunkte und zusätzlich min. 4.000 Schnellladepunkte notwendig (6). Für das Ziel von 7 bis 10,5 Mio. Elektrofahrzeuge bis zum Jahr 2030 würden entsprechend mehr Ladesäulen benötigt.
Es stellt sich also die Frage, wie lange der Trend zu BEVs global anhalten wird, vor allem im Lichte der schlechten Ökobilanz beim derzeitigen Kraftwerksmix, bei den Abhängigkeiten bei der Rohmaterialversorgung und den Problemen beim Recycling der Batterien.
Insbesondere Kobalt (Co, Hauptförderung in politisch instabilen Ländern), aber auch Lithium (Li, dessen Herstellung mit Umweltschäden in den Herstellerländern einhergeht) sind problematisch. Trotzdem wird die Kobalt enthaltende Li-Polymerbatterie uns in den nächsten 10 Jahren begleiten (7). Der Ersatz von Co und Li in mobilen Batterien ist schwierig und langwierig und auch technologische Quantensprünge bei Kapazität und Gewicht sind nicht zu erwarten, es sind vielmehr noch viele technische Probleme zu lösen (8). Eine angestrebte Verringerung des Co-Gehalts wird sicher kommen, diese wird aber durch die Erhöhung der Stückzahlen kompensiert.
4. Die nationalen Regierungen und die EU müssen technologieneutral fördern
Alternative emissionsfreie Mobilitätskonzepte werden kaum unterstützt und nicht faktenbasiert diskutiert. Die Politik ist zwar bereit, den Aufbau von Batterieherstellungskapazität zu unterstützen (9), die Erweiterung der Herstellungskapazität von z.B. E- Fuels jedoch nur in eingeschränktem Umfang. Auch die Anrechnung von E-Fuels auf die CO2-Emissionen von PKWs wurde zunächst auf 2023 verschoben (10). Dabei bieten E-Fuels eine gute Möglichkeit, die Herstellung und den Verbrauch regenerativer Energie zu synchronisieren. Der Nachteil regenerativ hergestellter Energie ist, dass sie von Wetterphänomenen und der Tageszeit abhängig und daher zumeist nicht mit dem Bedarf zu synchronisieren ist. Sie muss also gespeichert werden. Dazu sind E- Fuels natürlich ideal geeignet.
E-Fuels können sowohl in Brennstoffzellen wieder in Strom umgewandelt werden (für emissionsfreies Fahren in urbaner Umgebung) als auch in klassischen verbrennungsmotorisch getriebenen Fahrzeugen CO2-neutral unter Berücksichtigung der Stickoxidemissionen verbrannt werden.
Gerade die konventionellen Motoren könnten zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen in einer Übergangszeit noch mit Erdgas betrieben werden, um dann problemfrei auf E-Fuels umgestellt zu werden.
5. Die Einführung neuer Antriebsformen muss mit der Energiewende und dem sich wandelnden Stromangebot unbedingt synchronisiert werden
Grundvoraussetzung für eine weitgehende Dekarbonisierung der individuellen Mobilität ist die Umstellung der Herstellung elektrischer Energie auf regenerative Methoden und die Speicherung und verbrauchsabhängige Bereitstellung des auf diesem Wege hergestellten Stroms. Insofern schafft Deutschland mit der sog. Energiewende unter großen Opfern – die Strompreise in Deutschland sind so hoch wie fast nirgends auf der Welt – bereits die Voraussetzungen. Der CO2-freie Anteil an der deutschen Stromproduktion (regenerativ und Kernkraft) hat 2018 bereits 47,4% erreicht (11). Trotzdem wird immer noch knapp 500g CO2/kWh emittiert (12). Die verfrühte unter po- litischem Druck erfolgende Einführung batterieelektrischer Fahrzeuge wirkt unter diesen heutigen Umständen sogar ökologisch kontraproduktiv.
6. In Zukunft werden unterschiedliche Antriebsformen nebeneinanderstehen
Langfristig wird eine Koexistenz verschiedener Antriebstechniken notwendig sein, um die Belange aller Mobilitätsaufgaben dekarbonisiert befriedigen zu können. So sind im ländlichen Raum sicherlich andere Antriebstechniken für die dort geforderten längeren Reichweiten notwendig als in urbaner Umgebung mit dem dort verfügbaren dichten elektrifizierten ÖPNV-Angebot. Im Transportsektor wiederum braucht es für die Langstrecke andere Lösungen als für den Verteilerverkehr.
7. Der effiziente Verbrennungsmotor bleibt wichtiger Bestandteil der Mobilität von morgen
Längere Reichweiten können auch unabhängig von E-Fuels (Ziff.4) durch den Verbrennungsmotor erreicht werden. In einer Koexistenz verschiedener Antriebsformen hat der emissionsarme und sparsame Verbrennungsmotor weiterhin seinen Platz. Verbrennungsmotoren können nicht nur mit synthetischen, mit regenerativ erzeugter Energie hergestellten Kraftstoffen betrieben werden, darüber hinaus werden sie auch in Hybridfahrzeugen, deren Reichweite den konventionellen Fahrzeugen entspricht, benötigt. Heute eingesetzte Verbrennungsmotoren, ob Benzin oder Diesel, sind inzwischen auf einem hohen technischen Niveau, gerade was Emissionen (Feinstaub, NOx) anbelangt. Sie können und sollten als Übergangstechnik oder mit regenerativ hergestellten Kraftstoffen dauerhaft weiterhin betrieben werden.
Als Fazit ist der Politik und den Automobilherstellern also dringend anzuraten, alle Förderung technologieneutral zu gestalten, vor allem auch um die Veränderungen der Antriebstechnik zwar schnell, aber möglichst kosteneffizient und sozialverträglich zu gestalten. Darüber hinaus wird es notwendig sein, auch alle Sharing-Konzepte zu unterstützen, deren Entwicklung in hohem Maße von den Innovationen beim autonomen Fahren bis zum Level 5 abhängen wird.
* Kyoto-Protokoll vom 11.12.1997, COP3 und Pariser Abkommen vom 12.12.2015, COP21/CMP11
** E-Fuels: Synthetisch mit Hilfe regenerativer elektrischer Energie hergestellte Treibstoffe wie Wasserstoff und Kohlenwasserstoffe (erdgasähnliches Methan aber auch Flüssigkraftstoffe). Beim letzteren wird als Kohlenstoffquelle das in der Luft enthaltene Kohlendioxid (CO2) verwendet. Die technischen Probleme bei der Herstellung sind gelöst (13), die Produktionskosten allerdings mit ca. € 2,50 pro Li- ter Dieseläquivalent (Pilotanlage (14)) noch relativ hoch. Bedenkt man allerdings, dass hierzu regenerativ hergestellter Strom aus regionalen Überschussmengen genutzt werden kann, der heute gegen Bezahlung exportiert, oder dessen Herstel- lung durch Abschalten der Anlagen verhindert wird, relativieren sich die Herstell- kosten.
Bei der Produktion solcher Treibstoffe im industriellen Maßstab sind Herstellkosten auf dem Niveau heutiger fossiler Brennstoffe durchaus vorstellbar. Trotzdem findet eine Förderung durch die Bundesregierung nicht statt. Auch eine Anrechnung solcher Treibstoffe, die anders als batterieelektrische Fahrzeuge tatsächlich zu kei- nem zusätzlichen CO2-Eintrag in die Atmosphäre führen, erfolgt bei der Berech- nung des Flottenverbrauchs nicht. Damit ist das Interesse der Fahrzeughersteller nur gering.
Quellen:
(1) UBA, Umweltbundesamt: Nationales Treibhausgasinventar 2018, 04/2018
(2) Eine europäische Strategie für emissionsarme Mobilität (COM (2016) 501)
(3) Thomas Koch, KIT, Antriebssysteme der Zukunft, 23. Zulieferforum ArGeZ,Frankfurt 31.01.2019
(4) Christoph Buchal, Hans-Dieter Karl und Hans-Werner Sinn, Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz? ifo Schnell- dienst 8/2019, 25.04.2019, S. 40 – 54
(5) BDEW e.V.
(6) LADEN2020, Schlussbericht: Konzept zum Aufbau einer bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur in Deutschland von heute bis 2020, 15.12.2016, KIT
(7) Matthias Buchert, Freiburger Öko-Institut, in edison.handelsbaltt.com, Akkus ohne Kobalt: Sauber, aber noch nicht marktreif
(8) Wiederladbare Batterien: Möglichkeiten und Grenzen, Michael R. Buchmeiser in www.git-labor.de Frame conditions of e-mobility; Industrieverband Massivumformung, schlege-lundpartner 29.6.2018
(9) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Bekanntmachung des Interessensbekundungsverfahrens zur geplanten Förderung im Bereich der industriellen Fertigung für mobile und stationäre Energiespeicher (Batteriezellfertigung), 14.02.2019
(10) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Luksic, Dr. Martin Neumann, Dr. Christian Jung, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Deutscher Bundestag Drucksache 19/6575, 19. Wahlperiode 18.12.2018
(11) Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (2019)
(12) Buchal, Karl, Sinn, a.a.O., S. 42
(13) BDI, Positionspapier der deutschen Industrie zum Aufbau von Rahmenbedingungen für die E-Fuels-Technologie, Published on July 11, 2018
(14) Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Dokumentation ‚E-Fuels‘, WD 5 - 3000 - 008/18
Stand Juli 2019
Download: WSM-Position zur Zukunft der Mobilität