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Nachrichten 2-2022
Für die Betriebspraxis
Der Umfang der Sorgfaltspflichten
Der Entwurf sieht vor, dass Unternehmen Sorg- faltspflichten im Hinblick auf Menschen- und Umweltrechte ausführen sollen. Im Einzelnen bedeutet das, dass Unternehmen Sorgfalts- pflichten in alle Unternehmensrichtlinien integ- rieren und über eine Sorgfaltspflichtenpolitik verfügen sollen, die jährlich aktualisiert wird. Sie müssen geeignete Risikomanagementmaß- nahmen ergreifen, um tatsächliche oder poten- zielle nachteilige Auswirkungen auf die Men- schenrechte und die Umwelt in ihren eigenen Betrieben, in ihren Tochtergesellschaften und auf der Ebene ihrer etablierten direkten oder in- direkten Geschäftsbeziehungen in ihrer Wert- schöpfungskette zu ermitteln. Es besteht die Pflicht, geeignete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, um mögliche nachteilige Auswirkun- gen zu verhindern oder zu mildern sowie geeig- nete Abhilfemaßnahmen ergreifen, um tat- sächliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu beenden und ihr Ausmaß zu minimieren. Das geht über die in Deutschland geforderte Bemühenspflicht hinaus. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten Möglichkeiten für eine Vertragsbeendigung schaffen. Das steht dem deutschen Ansatz ent- gegen, für Verbesserungen zu sorgen, anstatt die Unternehmen in die Beendigung von Ge- schäftsbeziehungen zu treiben.
Die zivilrechtliche Haftungsnorm
Der Richtlinienentwurf sieht eine Gefährdungs- haftung für alle Aktivitäten und alle Teile der Wertschöpfungskette – nicht nur der Lieferket- te – vor. Den Unternehmen können insofern auch von Dritten verursachte Verstöße (und dar- aus resultierende Schäden) zugerechnet wer- den. Irrelevant ist auch, ob der verstoßende Drit- te selbst haftbar gemacht werden kann. Dritte können unmittelbare und mittelbare Geschäfts- partner sein, wobei keine vertragliche Bezie-
hung mit dem Unternehmen erforderlich ist. Die- se enorme Verschärfung mit weitreichenden Folgen ist abzulehnen. Unternehmen können nur für eigene Aktivitäten in der Lieferkette haft- bar sein, nicht für diejenigen ihrer Geschäfts- partnerodergarderenLieferanten.
Die Bekämpfung des Klimawandels
Gemäß Artikel 15 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass bestimmte Unternehmen ei- nen Plan vorlegen, wonach das Geschäftsmo- dell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und mit der Begrenzung der globalen Erwär- mung auf 1,5 °C (unter Bezugnahme auf das Pariser Abkommen) vereinbar sind. Zur Durch- setzung dieser Pflichten sollen Führungskräfte im Fall einer variablen Vergütung Anreize zur Eindämmung des Klimawandels erhalten.
Die Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung („duty of care“)
Nach Artikel 25 sollen die Geschäftsführer der Unternehmen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflich- ten nicht nur im Interesse der Gesellschaft han- deln, sondern hierbei auch die Folgen ihrer Ent- scheidungen mit Blick auf Nachhaltigkeit, Men- schenrechte und Klimawandel berücksichtigen. Artikel 26 verpflichtet die Unternehmensleitung, Verfahren und Maßnahmen für die unternehme- rischen Sorgfaltspflichten im Bereich der Nach- haltigkeit einzurichten und deren Umsetzung zu überwachen sowie die Unternehmensstrategie an die Sorgfaltspflicht anzupassen.
Wenn die EU-Kommission, das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten diesen Richt- linienvorschlag verabschieden, müsste Deutsch- land sein LKSG anpassen und verschärfen. Für die Unternehmen in Deutschland wäre dies eine weitere, unnötige Belastung, haben sie doch ge- rade erst das LKSG umgesetzt. K