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Nachrichten 2-2022
Aktuelles aus Wirtschaft & Politik
Auswirkungen auf die Biodiversität zu befürch- ten, da eine bedeutende Anzahl von Projekten weltweit, aber besonders in den besagten Län- dern, in der Nähe von Waldgebieten liegt. Inso- fern erfordert ein Bezug aus diesen Ländern, dass diese Risiken bewertet und entsprechend Maßnahmen ergriffen werden, um ihnen entge- genzuwirken.
Selbst wenn deutsche Firmen die Primärroh- stoffe nicht direkt aus Russland beziehen: Könnten Unterbrechungen in vorgelagerten Produktionsstufen der Lieferkette am Ende doch zu Engpässen führen?
Perger: Grundsätzlich ist das immer möglich. Viele deutsche Unternehmen beziehen Vorpro- dukte aus anderen Ländern, vor allem dem eu- ropäischen Ausland. Wenn die dortigen Unter- nehmen bislang von Primärrohstoffen aus Russland abhängig waren, macht sich das auch schnell bis hin zum Ende von Wertschöpfungs- ketten bemerkbar. Bei Palladium und Industrie- diamanten ist Russland das bedeutendste För- derland, bei Vanadium, Antimon und Platin jeweils das zweitbedeutendste. Wenn beispiels- weise Produzenten von Katalysatoren im euro- päischen Ausland kein Palladium mehr aus Russland bekämen, würde sich das auch auf deutsche Autobauer auswirken.
Nickel, Titan und Aluminium sind von zentraler Bedeutung, um die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen zu ver- ringern. Sie werden unter anderem für So- laranlagen gebraucht, in Windturbinen und in Batterien für Elektrofahrzeuge. Wie gefährdet ist die Energiewende, wenn diese Rohstoffe knapp werden?
Perger: Die Energie- und Mobilitätswende be- nötigt eine ganze Reihe von Metallen: Stahl, Gusseisen, Zink, Kupfer und Seltene Erden für Windenergieanlagen, Stahl, Aluminium, Kupfer und Silizium für Photovoltaikanlagen sowie Gra- phit, Aluminium, Nickel, Kupfer, Kobalt, Mangan
und Lithium für Batterien. Aktuell sind die globa- len Rohstoffbedarfe für diese Technologien im Vergleich mit den globalen Gesamtbedarfen bis auf einige Ausnahmen jedoch gering. In Wind- energie- und Photovoltaikanlagen wurden 2020 nach unseren Berechnungen rund 1,1 Prozent der globalen Stahlproduktion verbaut sowie 0,8 Prozent der Kupferproduktion und 0,3 Pro- zent der Aluminiumproduktion. Höhere Anteile gab es beispielsweise bei Silizium mit 17 Pro- zent, Silber mit 10 Prozent und Seltenen Erden mit 3 Prozent. Für die Produktion von Lithium- Ionen-Batterien wurden 2020 beispielsweise 67 Prozent der globalen Lithiumproduktion, 33 Prozent der Kobaltproduktion und 8 Prozent der Nickelproduktion verwendet. Für die E-Mo- bilität sind Aluminium und Titan aufgrund ihrer Verwendung im Leichtbau auch von größter Be- deutung. Grundsätzlich gilt: Natürlich können auch Versorgungsprobleme bei den benötigten Rohstoffen die Energie- und Mobilitätswende ausbremsen, Russlands Position sollte vor diesem Hintergrund aber nicht überbewertet werden.
Bei Titan, welches auch für die Produktion von grünem Wasserstoff eingesetzt wird, kommen je nach Verarbeitungsgrad 33 bis 41 Prozent der deutschen Importe aus Russland. Droht jetzt der Traum von der Umstellung auf grünen Wasserstoff bei der Stahlproduktion zu platzen?
Perger: Die Titanrohstoffe Rutil und Ilmenit kommen weltweit vor und werden vor allem in der Pigmentproduktion und nur zu 6 Prozent in der Metallproduktion genutzt. Potenziell kritisch ist insbesondere die Marktlage beim Vorprodukt Titanschwamm. Hierbei haben China mit 54 Prozent, Japan mit 22 Prozent, Russland mit 14 Prozent und Kasachstan mit 7 Prozent die größten Produktionsanteile. Die Titanmetallpro- duktion findet global breiter gestreut statt, ist allerdings von den genannten Lieferländern ab- hängig. Im Hinblick auf die Herstellung von grü- nem Wasserstoff mittels Wasserelektrolyse ste-
    























































































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